Bastelei

Die Ära der Tischbahnen mit Spielzeugcharakter kann weitgehend als abgeschlossen gelten. Heutige Modellbahnen eifern dem Vorbild in so vielen Punkten nach, dass von Spielzeuggestaltung kaum mehr die Rede sein kann.

Die alten Modelle der Spur 00 tragen noch deutlich stärker die Handschrift der Gestalter, die einmal mit Blechbahnen in Spur 0 angefangen haben und in erster Linie die Herausforderung der Verkleinerung bewältigen wollten.

Aus heutiger Sicht wurden bei der kleineren Spur 00 auffällige Kompromisse eingegangen. Damals störte das niemanden, weil es keine “besseren” Alternativen gab. Der Wettstreit um die bessere Vorbildtreue begann sich erst in den 70er Jahren auf die Gestaltung des gesamten Sortiments auszuwirken. Die Modellneuheiten haben ihr Gesicht seit dieser Zeit gewandelt und die vorangegangene Ware wurde zum Spielzeug von gestern deklassiert. Das sieht man am deutlichsten an Fahrzeugen, die das gleiche Vorbild bei der großen Eisenbahn haben, aber komplett neu aufgelegt wurden. Diese Untereschiede sind es, die die Modelle der Spur 00 von ihren Anfängen bis zum Ende der 60er Jahre kennzeichnen.

Als auffälligste sind zu nennen:

  • Überwiegend Metall als Werkstoff
  • Funktionen dominieren die äußere Gestalt (Handumschalter, äußerlich sichtbare Glühbirnen und Zahnräder)
  • Angravierte, statt angesetzte Kleinteile
  • Mehrfachverwendung gleicher Teile und Baugruppen anstelle vorbildgetreuer Umsetzung
  • Kompromisse insbesondere beim Längenmaßstab
  • Schiebebilder statt Bedruckungen

Wenn man sich heute in die Zeit und die Aufgabe der Gestalter von damals versetzt und all diese Kompromisse einzugehen bereit ist, kann man auch heute noch Modelle gestalten, die gut in die damalige Zeit gepasst hätten. Sie wären mit großer Wahrscheinlichkeit vom damaligen Markt angenommen worden, wohingegen sie heute mit derartigen Eigenschaften als chancenlos gelten müssten.

Deshalb sollte sogar eine nur hobbymäßig betriebene “nostalgische Gestaltung” konsequent im Rahmen der damaligen Produktionsgepflogenheiten bleiben – vom Material über die Verarbeitung bis zur Farbgebung und dem Finish.

Dazu bieten sich zahlreiche defekte Modelle aus der damaligen Zeit als Halbzeuge an. Sie lassen sich zerteilen und neu zusammenfügen, geradewegs wie der Prototypenbau sich schon damals im Hause Märklin und andernorts vollzogen haben mag.

Bei so einer Vorgehensweise können eine Menge Phantasiemodelle entstehen – nicht weniger phantastisch, als die damaligen Serienprodukte. Es können aber auch systematisch und “professionell” Sortimentslücken geschlossen werden. Professionell bedeutet hier nur eine Recherche im Fuhrpark der europäischen Bahnen bis in die 70er Jahre. Alles was es zur damaligen Zeit an Fahrzeugen im echten Eisenbahnbetrieb gab, eignet sich als Vorlage für ein vereinfachtes Modell im Stil des Spielzeugs von damals.

Als Beispiel für einen Wagen, der erst zu einem Zeitpunkt entstand, als er im Sortiment längst überfällig war, sei hier der Märklin-Wagen 4008 gezeigt.

Moderne Ausführung eines Länderbahn-Packwagens

Als Bestandteil zahlreicher Zugpackungen wurde der Wagen 4040 geliefert – wenn von einem Zug die Rede sein darf, der nur zwei Personenwagen mitführt.

Einer der einfachsten Wagen im Märklin-Programm in schöner Tinplate-Manier

Schmerzlich fehlte den so leidenschaftlich betriebenen Zügen mit der so charakteristischen Geräuschkulisse der geeignete Packwagen, der hier zumindest als Bild nachgereicht wird.

Fotomontage eines Tinplate-Packwagens

Dieses Bild verdeutlicht im Vergleich zum ersten sowohl den Fortschritt der Modellbahnproduktion, aber auch nicht weniger den Grund dafür, dass es für die älteren Macharten viele Liebhaber gibt.

Viel Spaß mit den Projekten auf den folgenden Seiten.

Ein Kommentar zu “Bastelei

  1. Hallo Anselm Geske,

    Finde die Unikate sehr schön und könnte zu diesem Thema auch noch etwas beitragen. Auf meiner

    homepage habe ich die Wagen im Kapitel Umbau-Unikate Märklin mit Fotos beschrieben. Besonderst der 4

    achsige Kohlenstaubwaggon wäre eine gute Ergänzung zum hier beschriebenen “KurvenKamel”.

    Im Mibaheft 10, Jahrgang 1959 hatte Herr Walter Oberschachtsiek aus Iserlohn eine ausführliche, bebilderte

    Anleitung zum Bau eines 4-achsigen Braunkohlenstaubwagens aus Märklinteilen ( 1x Rungenwagen 4516,

    2x Bausatz 4911 Braukohlenstaubwagen ) vorgestellt. Dies habe ich ein wenig abgewandelt und dazu den

    4-achsigen Niederbordwagen 4514.1 und 2 Kohlenstaubwagen 4511.3 benutzt.

    Viele Grüße

    Wolfgang Renschler – nodawo

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