Text und Bilder: Ralf C. Minkenberg
Schmitz, der von der Verwaltung, hat einen neuoptimierten Umlaufplan für die SK 800 aufgestellt, der auch eine Güterzugsleistung beinhaltet. Alle schütteln mit dem Kopf. Sie wissen, daß in der Verwaltung gesoffen wird und daß sie machtlos sind. Also wird die schlechteste SK herausgesucht und angeheizt. Diese Lokomotiven werden mit Ölfeuerung betrieben, weshalb der Heizer nichts zu tun hat und heimlich Lokführer Müller fotografiert, der vergeblich versucht mit dem Handschalter die Fahrtrichtung umzustellen. Irgendwas klemmt und immer macht die Lokomotive einen Bocksprung, der das Ankuppeln an den Güterzug gewöhnlich eher einem Auffahrunfall gleichen lässt.
Die Verwaltung lässt da nicht mit sich reden, die Fahrzeuge bestehen zu 96,5% Prozent aus stabilem Druckguss und gehen von einmal Umkippen nicht kaputt. Das Betriebspersonal hat die Sabotageaktionen mittlerweile eingestellt, der Kranschalter ist kaputt und sie müssen die Fahrzeuge mit einer maßstäblichen Brechstange wieder aufgleisen. Da bleibt weniger Zeit für Pause.
Diese Lok neuerer Bauart besitzt ein schlagfestes Kunststoffgehäuse. Die Verwaltung hat sie billig bei der polnischen Staatsbahn abstauben können und gleich berechnet, daß durch die großen Frontscheinwerfer die Bahnsteigsbeleuchtung reduziert werden kann. Irgendwann war der Wasserkran kaputt und die Mannschaft hat schnell eine Notversorgung hergestellt und den Tender mit Heißwasser aus den Duschen der Waschkaue befüllt. Leider hat das Plastikgehäuse sich dabei verzogen. Für solche Beanspruchungen wurde es nicht gebaut, in Polen gibt es kein Warmwasser.
Diese schwere Güterzuglok kann momentan nicht planmäßig eingesetzt werden weil sie anderweitig benötigt wird. Sie beheizt den Pool von Bonzen-Phillip, den Deal hat Schmitz mit Bonzen-Phillip in der Bahnhofskneipe gemacht, im Winter war nicht viel los und die Lok stand sich die Räder platt. Gegen zwölf Kästen Kölsch hat er dann angeboten den Pool solange zu beheizen, bis Frühling ist. Da dieses Jahr kein Frühling stattfindet und immer noch arktische Außentemperaturen vorherrschen gilt der Deal leider immer noch. Bonzen-Phillip hat seine Anwälte auch bereits angeschärft, der Verwaltung auf jeden Fall nicht das Wort „Sommer“ durchgehen zu lassen, auch wenn dieser eintreffen sollte. Beheizt wird bis Frühling, egal in welchem Jahr mal wieder einer auftritt.
Die Anwälte haben die einstweilige Verfügung schon fertig.
Der Kranfahrer freut sich über das verzogene Schaltpult und hat einen von der Gewerkschaft antanzen lassen der dem Schmitz ganz klar die Leviten gelesen hat und festgestellt hat, daß der Kranfahrer ein spezialausgebildeter Facharbeiter ist, der keinesfalls für andere Tätigkeiten als Kranfahren zuständig sein kann. Er hat die Anwälte der Gewerkschaft schon instruiert, die einen privaten Investigator angeheuert haben, der nichts anderes zu tun hat, als den Kranfahrer zu überwachen und sicherzustellen, daß er oben im Kranhaus pro Schicht seine acht Stunden Schlaf bekommt.
Eine einstweilige Verfügung haben sie bereits vorbereitet.
Der Blick aus dem Verwaltungshochhaus auf die Bahnanlagen, wie Schmitz und die übrigen 836 Verwaltungsangestellten ihn haben. Von hier aus haben sie einen guten Überblick über die Aktivitäten ihres Betriebspersonals, sechzehn viel zu teure Mitarbeiter, die ohne die Profis von der Verwaltung niemals auch nur einen einzigen Zug auf die Strecke bringen würden. Hier haben sie zum Beispiel schon wieder die SK vor einen Schnellzug gespannt und fahren mit nicht ordnungsgemäßem Lichtsignal auf dem falschen Gleis während irgendein Doof die 44 vom Pool weggefahren und vor einen Güterzug gekuppelt hat. Da muß natürlich mal wieder ordentlich zwischengehauen werden. Der Praktikant wurde schon losgeschickt um den Lokführern das Bier wegzunehmen und in die Verwaltung zu bringen, wo der Alkohol langsam knapp wird.
Das hier sieht alles auf den ersten Blick sehr motiviert aus, drei Lokomotiven in Aktion, aber wenn man lange genug hinschaut bemerkt man: nichts bewegt sich. Die Lokmannschaften haben den Praktikanten neu eingenordet und zum Pilskiosk geschickt um neues Bier zu holen. Jetzt sitzen sie alle zusammen im Lokschuppen, der Praktikant mit jahrzehntelanger Kopiererbedienerfahrung hat ganz professionell einige Hundertmarkscheine nachkopiert und mal richtig eingekauft. 22 Kilo Mettbrötchen und 91 Kästen Bier, also den ganzen Vorrat, den das Kiosk da hatte.
Der Private hat den Kranfahrer geweckt, der Anwalt von der Gewerkschaft sowie sein Kollege, der Bonzen-Phillip vertritt, sind auch da.
Gemeinsam erarbeiten sie ein neues Kopierprogramm für Hundertmarkscheine sowie die exclusiven Vertriebsrechte dafür und bereiten eine einstweilige Verfügung gegen die Verwaltung vor, weil Bier laut innerdeutschem Staatsvertrag ein Grundnahrungsmittel ist und von der Verwaltung nicht beschlagnahmt werden darf.
Ich wäre beim Lesen beinahe nass geworden! Da hat aber auch jemand Berufserfahrung vom Feinsten! Willkommen in Schlaand, wo jeder alles weiß – und wenn nicht, dann eben besser.
Ich grüße alle, die was tun!