Im Katalog von 1950 findet sich die Abbildung eines Buches zum Thema Modellbahnen, jedoch ohne Artikelnummer. Wie kann ein Artikel in einen Märklin Katalog kommen – ohne Artikelnummer – und noch dazu ist dieser Artikel garnicht bei Märklin zu beziehen, sondern es wird auf den Bezug direkt beim Verlag oder den Buchhandel verwiesen… Allein diese Fragen rechtfertigen die Beschäftigung mit diesem Werk, doch bei genauerem Hinsehen gibt es noch weitere interessante Punkte zu diesem Buch.
Das Buch „Meine Märklin Modellbahn – Was sie leistet, lehrt und erleben läßt“ (hier rechts im Bild) war lange Zeit ein sehr gesuchtes Sammlerstück. Glücklicherweise ist seit einiger Zeit für wenig Geld ein Nachdruck erhältlich. Schon auf der Innenseite finden wir den Hinweiß: „Eine kleine Philosophie zur Spur 00…“ welche die Idee hinter dem wirken von Dr. Strauss erahnen läßt. Es geht um die Darstellung des großen Fahrbetriebes auf kleiner Spur und dies möglichst realistisch – soweit damals möglich.
Dr. Walter Strauss dar sicher als einer der ersten echten „Märklinisten“ bezeichnet werden. Schon früh wurde er von seinem Vater mit dem Modellbahn-Virus infiziert und im Jahre 1949 wurde er „Werbeleiter“ bei der Firma Märklin. Er verstarb 1952 im Alter von 59 Jahren in Göppingen. Somit ist die Verbindung zum Hause Märklin geklärt und die Erwähnung des Buches im Katalog von 1950 erklärbar. Doch wie kam es zu diesem großartigen Buch…?
Dr. Strauss auf einer englischen Lokomotive im Jahre 1948 in Luzern.
Die Forschungen zu weiteren Veröffentlichungen von Dr. Strauss gestalten sich schwer. Das Buch über personenbefördernde „Liliputbahnen“ – also Freilandbahnen großer Spurweiten – wurde von den Nationalsozialisten verboten (vermutlich weil zu viele britische Kontakte zitiert wurden) und ist heute nicht zu bekommen.
Es ist jedoch in diesem Zusammenhang das Buch „Darstellung des modernen Eisenbahnwesens als Lehrmittel“ aus dem Jahre 1922 zu erwähnen. Damals war zwar nicht von der Spurweite 00 die Rede, jedoch legt Dr. Strauss schon dort großen Wert auf den realistischen Betrieb und die originalgetreue Darstellung, beispielsweise von Gebäuden. So werden zum Beispiel bunt lithografierte Bahnhöfe – die heute bei Sammlern Höchstpreise erzielen ! – verdammt. Ein „echtes“ Bahnhofsgebäude war eben schon damals eher schlicht gestaltet.
Auch andere, heute sehr gesuchte Stücke der Tin Plate Ära, kommen bei Dr. Strauss nicht gut weg:
In diesem Buch von 1922 geht es unter anderem um „Verirrungen und Mißstände im Modellwesen…“, „Aufklärung durch das betriebsfähige Modell“ und auch um „Anregungen durch die Poesie“ und „Anregungen durch Denkmalspflege“. Dieser kurze Einblick in das Inhaltsverzeichnis zeigt doch sehr deutlich die Schwerpunkte der Arbeiten von Dr. Strauss. Besonders bemerkenswert an dem vorliegenden Exemplar ist jedoch die handschriftliche Widmung von Dr. Strauss an „Mr. Basset-Lowke“. Dem Kenner der Modellbahngeschichte ist dieser berühmte Engländer sicher ein Begriff für hoch-qualitative Modellbahnen. Die Widmung datiert aus dem Jahr 1922 – Dr. Strauss lebte damals in Berlin Steglitz.
Sehr deutlich schreibt Dr. Strauss hier welche hohe Meinung er von der Arbeit von Basset-Lowke hat und es ist zu verstehen, dass es Dr. Strauss sehr am Herzen liegt die Idee des großen Vorbildes aus England weiter zu verbreiten.
Im Katalog von 1950 wird das bereits erwähnte Buch von Dr. Strauss zu Spurweite 00 erwähnt. Es ist davon auszugehen das dieses Buch im Laufe des Jahres 1948 entstanden ist und bereits 1949 in den Handel kam. Letzteres kann durch eine Widmung des vorliegenden Exemplares aus dem Dezember 1949 belegt werden.
Beeindruckend an diesem Buch zur Spurweite 00 sind die vielen Bilder und auch die Ideen die bei der Umsetzung eingeflossen sind. Die aus bemalten Speerholzplatten mit Gewindestangen gefertigten Berge sind aus heutiger Sicht genauso beachtenswert wie die tollen Brücken aus Anker-Baukästen und die großzügigen Fahrstrecken an den Wänden und über Fensterbänke hinweg. Auch die „freischwebenden“ Konstruktionen über mehrere Tische hinweg verdienen nach vielen Jahrzehnten noch Beachtung und Respekt bei der Umsetzung.
In jedem Fall kann die Lektüre – auch der neu aufgelegten Version – dieses Buches nur jedem MÄRKLIN Spur 00 Freund nahe gelegt werden. Auch heute lassen sich noch viele Interessante Ideen und Anregungen aus diesen Büchern gewinnen. Erstaunlich wie viel davon bis heute nicht konsequent umgesetzt wird – über 60 Jahre später…
Siehe hierzu auch: Liliputbahnen von Dr. Walter Strauss
Wieder ein sehr interessantes und aufschlussreiches Stück Märklin Geschichte dank Frank’s intensivem Suchen von Märklin Raritäten .
Ein fesselndes Buch. Ich habe es mir beim Erscheinen der Neuauflage bestellt und war vom Text und den Bilder gefesselt.
Der Aufbau der Anlage gibt auch ein Bild über die Hirachie in der Familie in der damaligen Zeit wieder; wer von den heutigen Familienvätern kann über die Wintertage die Wohnräume derart mit seinem Hobby belegen. Da sind die Frauen heute zu bestimmend.
Als Ing. Dr. war Herr Strauss wohl hauptsächlich auf den Fahrbetrieb aus, und nicht auf die Ausgestaltung der Anlage. Daher die Kritik an den Gebäuden und Bergen.
Außerdem kann man an der Auführung der Unterbauten erkennen, welche Werkzeuge und Werkräume zur Vorbereitung zur verfügung standen. Alles mit Handwerkzeug herzustellen. Und platzsparend im Haus zu verstauen.
Zu Bild 25 und 26:die kleinste Ecke ausgenutzt und doch auf simple Ausführung geachtet. Ein schöner Blick in die damalige Zeit.
MfG………………….Thomas Gerke
Die Forderung nach mehr Realismus auf der Modellbahnanlage ist ein hartnäckiges Paradigma, dem nur wenige zu widersprechen wagen.
Schaut man sich aber in den Kellern um, so verwundert es, dass die meisten Anlagenbauer dem möglichst regen Spielbetrieb eindeutig den Vorzug geben. Da werden nicht nur die notwendigen Kompromisse eingegangen, sondern es wird nach einem Planungsansatz verfahren, der den Gleisplanheften der Hersteller fatal ähnlich sieht.
Erste Begegnungen mit Schaufensteranlagen müssen derartig prägend gewesen sein, dass eine ganze Generation von Anlagenbauern sich einen Kehricht um Realismus geschert hat.
Gerade diese Leute sind beachtlicher Weise auch heute noch „Modellbahner“, während viele anspruchsvolle Pläne nie „realisiert“ wurden. Was ist also von Realismus zu halten, dem Modellbahnhersteller folgen sollen?
Ich sehe keine Notwendigkeit für mehr Realismus, als er von den ersten 00-Bahnen ausging. Es gab das Vorbild und es gab die „modellmäßige“ Illusion von einer inspirierten kleinen Welt.
Mehr als diese Inspiration muss das Modell in meinen Augen nicht leisten. Da darf es quietschen, rattern, surren, schnarren, dampfen und stinken.
Im Prinzip leisten super detaillierte Modelle mit vielen digitalen Sonderfunktionen heute auch nichts anderes. Es geht nicht ums Ganze, sondern von der Menge der einzelnen Highlights geht die Reizfülle aus.
Warum dampfen H0-Loks nur aus dem Schlot? Warum haben die meisten Hersteller das Thema Gleisbild-Stellpult so sträflich vernachlässigt? Warum werden Geräusche über winzige Lautsprecher übertragen, die zu einer eindrucksvollen akustischen Leistung völlig ungeeignet sind? Warum sind Gleishöhen und Spurkränze bis heute so überdimensioniert? Warum fahren die meisten Loks auch heute noch so unkultiviert wie Billigspielzeug?
Das sind alles Punkte, die der Inspiration keinen Abbruch tun. Deswegen ist es zwar ehrbar, wenn man solche Punkte verbessert, aber nicht so zwingend erforderlich, wie es mancher Zeitschriftenredakteur glauben machen möchte.
Wenn man ein Spielzeug zu lieben gelernt hat, muss man es nicht zum goldenen Kalb machen. Wer kauft schon goldene Kälber, wenn es keine Gelegenheiten mehr gibt, seine Liebe zum „guten alten“ Spielzeug zu entwickeln?
Sollen perfekte Modellbahnartikel nur noch perfekten Angebern dienen, die sich den Kram zwar kaufen können, aber nicht die Ausdauer aufbringen, eine ganze Anlage aufzubauen?
Der Bau der Anlage beweist die Liebe zur Sache und zum Ganzen, was von den vielen kleinen ebenso liebevoll gestalteten Teilen inspiriert ist. Der Spielwarengestalter stößt diese Liebe an und der Modellbahner liefert das kulturelle Echo.
So ergibt beides Bemühen in meinen Augen Sinn – mehr Sinn, als ein Lokmodell, an dem auch noch der Krümmungsverlauf jedes einzelnen Nietenkopfes stimmt. Man muss eben immer noch ein inspiriertes und inspirierendes Ganzes daraus machen können.
Guter Zulauf zu öffentlichen Modellbahn-Ausstellungen beweist, dass sehr viele Menschen auch heute noch dafür empfänglich sind.
Dem Beitrag kann ich nur zustimmen. der Weg zu mehr „Realismus“ tötet letztlich die Phantasie des Spielenden. Man beachte einmal den unterschied, den die eigene anlage zuhause auf einen direkt macht, im Ggs. zu einem davon hergestellten Foto. auf dem Foto wird man jede Menge Unstimmigkeiten sehen, die einen schwarz ärgern, während man das beim „Spielen“ überhaupt nicht wahrnimmt. Das Foto ist der Trick, mit dessen Hilfe der Bezug zur – ebenfalls fotografisch abgespeicherten- sogenannten Wirklichkeit aufgebaut wird. Da kann man nur verlieren.
Immer wieder finde ich auf dieser HP interessante Artikel und auch Kommentare, wie hier von Anselm Geske – einfach ein schönes vielseitiges Hobby!
Umbauer-Bastler-Spieler-Sammler-Grüße
Wolfgang Renschler – nodawo – modelleisenbahnfan